Wie man seine älteren Kunden gründlich in Stress versetzt
Man kann ja bekanntlich an jedem Punkt beginnen, die Customer Experience zu verbessern … solange man nicht an diesem Punkt hängenbleibt. Das wurde mir erst neulich wieder schmerzlich klar, als mir das folgende Missgeschick widerfuhr.
Vor ein paar Wochen war ich auf dem Rückweg von einer Geschäftsreise. Auf dem Weg zum Flughafen erhielt ich eine SMS und eine E-Mail meiner Fluggesellschaft mit der Information, dass sich mein Flug verspäten würde. Zunächst sah es so aus, als ob die Verspätung nur fünf Minuten betragen würde. Ich zuckte ich nur mit den Schultern. Bei näherer Betrachtung stellte ich jedoch fest, dass der Flug um einen ganzen Tag verlegt wurde. Mein Rückflug solle erst in 24 Stunden und fünf Minuten stattfinden. Als ich am Flughafen ankam, war daher ich wenig überrascht von dem Chaos, das mich dort erwartete.
Auf dem kleinen Flughafen an einer Urlaubsdestination weit am Rande Europas arbeitete kein eigenes Personal der Fluggesellschaft, nur Abfertigungsagenten einer Service-Firma waren vor Ort. Dennoch tauchte innerhalb einer Stunde ein Vertreter der Bodenabfertigung auf, um kleine Gruppen von Fluggästen über das weitere Vorgehen zu informieren. Von da an war es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Nachricht alle erreichte. Der Plan für das weitere Vorgehen, der den Fluggästen mitgeteilt wurde, war sehr einfach und effizient: am Check-in-Schalter auf die Busse warten, die alle Fluggäste in ein Hotel in die nahe gelegene Stadt bringen würden; am nächsten Nachmittag vom besagten Hotel abgeholt werden; am Flughafen ankommen und nach Hause fliegen. Wenn man so viel reist wie ich in meinem Beruf, sind solche Dinge nichts Außergewöhnliches mehr. Als die Anweisungen herauskamen, hatte mein „Flughafen-Zen“ bereits eingesetzt und ich saß bei einer Tasse Kaffee in Sichtweite im Terminal-Bistro. Zeitgleich bemerkte ich aber, wie vor allem die älteren Passagiere – fast ausnahmslos Touristen – gestresst und verunsichert waren. Sie konnten nicht verarbeiten, was da gerade geschah.
Menschen hüten oder Kunden beruhigen?
Als Nächstes begann eine Gruppe von Passagieren, ihr Gepäck zu nehmen und nach draußen zu strömen. Offenbar waren die Busse eingetroffen, um uns zum Hotel zu bringen. Es gab keine öffentliche Ankündigung, sondern nur Mundpropaganda, die die Gruppe der gestrandeten Passagiere dazu brachte, sich zu den Bussen zu begeben. Ich möchte lobend erwähnen, dass die Organisation reibungslos verlief. Wie versprochen brachte uns der Bus zu einem großen Geschäftshotel, in dem wir alle auf unglaublich effiziente Weise eingecheckt wurden. Das Hotelpersonal war hilfsbereit und zuvorkommend. Abendessen, Frühstück und Mittagessen wurden serviert.
Unter dem Gesichtspunkt der operativen Exzellenz hat die Fluggesellschaft sehr gut abgeschnitten. Dennoch waren viele Fluggäste sichtlich beunruhigt. Die gesamte Erfahrung war zwar nicht unbedingt schrecklich, hätte aber für einen gelungenen Urlaubsabschluss viel besser sein können. Sie hätte besser sein müssen, um als Kunde der Fluggesellschaft voller Vertrauen eine weitere Reise anzuvertrauen, wissend dass man im Falle einer Störung auf sie zählen kann.
Gut gemacht – dafür gibt es eine Sechs!
Das Customer Experience-Team und das Betriebsteam der Fluggesellschaft handhabten die Situation mit äußerster Professionalität und sorgten dafür, dass die Passagiere alle physischen Annehmlichkeiten hatten, um die Störung zu lindern. An das emotionale Wohlbefinden der Fluggäste schien jedoch niemand gedacht zu haben. Sich in die Lage der Passagiere zu versetzen und die Gefühle, Emotionen, Ängste und Sorgen zu bedenken, hätte allen geholfen, die Situation besser zu bewältigen. Was macht ein unerfahrener Reisender durch, wenn sich ein Flug um einen ganzen Tag verspätet?
Wie gesagt: die Airline hatte alle Kontaktinformationen der Fluggäste, um uns per SMS und E-Mail über die Verspätung zu informieren. Diese Kanäle hätten sehr gut genutzt werden können, um die Fluggäste über alle weiteren Schritte zu informieren. Stattdessen wurde mit verwirrten Menschen in einem unübersichtlichen Terminal „zwischen Tür und Angel“ gesprochen, ignorierend, dass viele viel zu gestresst waren, um die Informationen effizient zu verarbeiten. Hätte das Customer Experience Team über ein emotionales Protokoll für solche Fälle verfügt, wäre statt einer beiläufigen einmaligen Textnachricht mit trockenen Informationen stattdessen laufend empathische Hilfe angeboten worden. Mit im Voraus vorbereiteten FAQs und einfühlsamen Worten hätte man über die 24-stündige Verspätung, die für viele Fluggäste eine große Belastung war, hinweghelfen können.
Operative Exzellenz PLUS Empathie stellt den Kunden in den Mittelpunkt
Die Moral von der Geschichte: Um echte Kundennähe zu erreichen, sollten Sie sich nicht nur um operative Spitzenleistungen bemühen. Sie können damit beginnen, aber stellen Sie sicher, dass Sie auch eine emotionale Bindung mit Ihren Kunden aufbauen. Dies gilt insbesondere in Situationen, in denen Sie Ihr Versprechen gegenüber Ihren Kunden nicht einhalten können.
Es ist die Art und Weise, wie Sie mit Krisen umgehen, nach der Sie Ihre Kunden beurteilen. Seien Sie gut vorbereitet; nicht nur bei den Abläufen – seien Sie auch nett zu Ihren Kunden! Die werden es Ihnen danken!